Freitag, 30. März 2012

WDR, Schlecker und die Guillotine

29. März 2012 - über Facebook wird in Emden zur Lynchjustiz an einem Schüler aufgerufen, der angeblich der Mörder eines Mädchens sein soll. Vor der Polizeiwache rotten sich Menschen zusammen und fordern die Herausgabe des 17-jährigen. Das Entsetzen in der publizierten Öffentlichkeit ist groß. Zumal sich nach wenigen Stunden heraus stellt, dass der angebliche Täter unschuldig ist.

30. März 2012 - WDR2 -öffentlich-rechtlicher Sender. Vormittagsprogramm. "Becker und Günnemann" bringen einen satirschen Beitrag über das Aus für die weiblichen Angestellten von Schlecker (gab es da eigentlich keinen einzigen Mann???) Thema des Beitrags: die 11000 Jungfrauen von Köln und die zehntausend Frauen, die jetzt entlassen werden.

Eigentlich eine Superidee. Gut vorgetragen. Gut durchdacht. Voller Witz!
Leider endet der Beitrag unter Bezug auf die Familie Schlecker und deren immer noch vorhandenes Privatvermögen mit dem Satz von Jürgen Becker: "Jetzt versteht man den Sinn der Guillotine"

Mit Verlaub: Gibt es denn keinen öffentlich-rechtlich bezahlten Redakteur, der Satirebeiträge abnimmt?
Satire darf vieles, aber nicht alles.

Der indirekte Aufruf, die Familie Schlecker zur Guillotine zu führen, überschreitet jede Grenze! Das erinnert an Radiosendungen aus Ruanda, deren Redakteure bis heute leugnen am damailigen Genozid beteiligt gewesen zu sein. Aber wer öffentlich spricht, hat auch eine öffentliche Verantwortung.

Es zeugt von mangelnder geschichtlicher Bildung, wenn Herr Becker der Guillotine eine Berechtigung zuweisen möchte. Deren einziger Sinn bestand unter dem Motto Egalite Gleichheit vor dem Scharfrichter herzustellen. Bis dahin baumelte der gemeine Mann oft qualvoll lange am Galgen, während der angeblich schmerzlosere und schnellere Tod durch das Schwert dem Adel vorbehalten war. Im Ergebnis ermöglichte die Guillotine die fließbandartige Hinrichtung. Tausende sind unschuldig in den Wirren der französischen Revolution unter dem Fallbeil gestorben. Darüber heute Witzchen zu machen ist geschmacklos.

Die Familie Schlecker mag ihren Reichtum mit vielleicht etwas fragwürdigen Geschäftsmodellen erreicht haben und jetzt auch noch schützen. Aber dass man sie im WDR-Hörfunk mit der Guillotine in Verbindung bringt, überschreitet jedes Maß.

Wer im Schutz der Satire so leichtfertig öffentlich-rechtlich daher plaudert, darf sich über den Mob auf Emdens Straßen und über die Sozialen Netzhetzer nicht aufregen.

Wo ist die Intendantin, die einsschreitet? Wo ist die Empörung, die sich sonst so gerne erhebt? Wer sagt Herrn Becker, dass er zu weit gegangen ist? Er ist populär und darf deshalb alles? Vice versa! Weil er populär ist, hat er erst nachzudenken, bevor er ans Mikrofon tritt..

Satire darf alles? Fast alles...so lange es verantwortbar ist.

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